Eine junge Frau sortiert verschiedene Arzneimittel in Pillenform auf ihrer Handfläche

Medikamentenallergie – wenn das Immunsystem Arzneien abwehrt

Medikamentenallergien können sehr problematisch sein, denn wenn das Immunsystem einen Wirkstoff als feindlich einstuft, wird der Heilungsprozess einer Krankheit oder Verletzung mitunter stark beeinträchtigt. Echte Arzneimittelallergien sind selten, doch Medikamente gibt es viele und jeder Wirkstoff kann potenziell eine Allergie auslösen. Deshalb entwickelt hierzulande rund ein Viertel der Bevölkerung mindestens einmal im Leben eine Medikamentenallergie. Deren Diagnose kann sich schwierig gestalten, da die Symptome oft Arzneimittelunverträglichkeiten oder Nebenwirkungen ähneln, die weitaus häufiger sind. Lebensbedrohliche Folgen von Arzneimittelallergien sind zum Glück ebenfalls selten.

Großaufnahme von einem männlichen Handgelenk mit stark gerötetem Hautausschlag

Was ist eine Medikamentenallergie?

Eine Medikamentenallergie ist eine Abwehrreaktion des Immunsystems gegen ein spezifisches Medikament, beziehungsweise einen spezifischen Wirkstoff. Die Allergie kann lange unentdeckt bleiben, wenn sie möglichen Nebenwirkungen der jeweiligen Arznei ähnelt. In einem Großteil der Verdachtsfälle liegt jedoch keine Allergie, sondern eine Unverträglichkeit gegen ein Medikament vor. Während Unverträglichkeiten meist mit Stoffwechselproblemen zusammenhängen, werden bei Arzneimittelallergien Antikörper produziert, die den vermeintlichen Schädling attackieren.

Die Medikamentenallergie kann als Sofort-Typ oder als Spät-Typ auftreten. Der Sofort-Typ zeigt sich kurz nach der Medikamenteneinnahme – entweder schon nach wenigen Minuten oder nach einigen Stunden. Die Symptome reichen von Atemwegsbeschwerden bis zu Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall. Auch Rötungen der Haut sowie Quaddeln und Nesselsucht können auftreten. Die kurzfristigen Beschwerden einer Arzneimittelallergie können sehr heftig ausfallen. Dennoch sind lebensgefährliche anaphylaktische Schocks eher selten.

Medikamentenallergien des Spät-Typs treten oft erst mehrere Tage nach der Anwendung auf. Dies kann ihre Diagnose stark erschweren. Doch gibt es einige Symptome, die relativ häufig im Zusammenhang mit Allergien gegen Arzneien auftreten. Das Arzneimittelexanthem ist zum Beispiel typisch für Medikamentenallergien. Dabei handelt es sich um einen geröteten Hautausschlag, der sich über große Hautareale oder den ganzen Körper ziehen kann. Das Arzneimittelexanthem ist lästig und kann beängstigend wirken, ist selbst aber ungefährlich. Schwere Folgen sind bei Spät-Typ-Varianten selten, doch es gibt sie. Das Stevens-Johnson-Syndrom zeigt sich beispielsweise durch Blasenbildung an den Schleimhäuten und anderen Hautpartien.

Die häufigsten Medikamentenallergien treten im Zusammenhang mit folgenden Arzneien auf:

  • Antibiotika, wobei meistens Penicillin der Auslöser ist.
  • Schmerzmittel wie Ibuprofen oder ASS. Im Falle des ASS handelt es sich jedoch meist um eine Unverträglichkeit – das ASS-Intoleranz-Syndrom – die als Begleiterscheinung von Allergien auftritt.
  • Rheuma-Medizin – genauer gesagt, Entzündungshemmer wie nicht steroidale Antirheumatika (NSAR).
  • Antidepressiva und Neuroleptika
  • Betäubungsmittel und Narkosemittel
  • Blutdrucksenker wie ACE-Hemmer
  • Medikamente gegen Epilepsie
  • Medikamente zur Chemotherapie
  • Röntgen-Kontrastmittel
Großaufnahme eines Probenröhrchens mit einer Blutprobe und der Aufschrift „Allergy Test

Wie wird eine Arzneimittelallergie diagnostiziert?

Die Diagnose einer Arzneimittelallergie unterscheidet sich nicht wesentlich von anderen Allergietests. Allerdings muss zunächst ermittelt werden, welches Medikament zu testen ist oder ob die Beschwerden andere Gründe haben könnten. Viele der Symptome können auch bei anderen Krankheiten und Allergien, bei Lebensmittelunverträglichkeiten oder Lebensmittelvergiftungen auftreten. Ihre Ärztin oder Ihr Arzt wird deswegen mit einer ausführlichen Anamnese beginnen. Dabei wird unter anderem erfragt, wann und wie oft die Beschwerden auftraten und welche Medikamente eingenommen wurden. Auch die Dosierung der Arzneien kann eine Rolle spielen. Bei Menschen, die viele verschiedene Präparate einnehmen, kann es daher eine Weile dauern, den Auslöser einer Medikamentenallergie zu finden.

Sobald die wahrscheinlichsten Auslöser ermittelt wurden, lassen sich verschiedene Allergietests durchführen. Um Sofort-Typen zu diagnostizieren, kommt beispielsweise oft der Pricktest zum Einsatz. Dabei werden Flüssigkeitströpfchen mit darin gelösten Wirkstoffen auf zuvor markierte Hautpartien aufgebracht. Mit einer Nadel wird die Haut durch die Tropfen hindurch angeritzt, um den Wirkstoff eindringen zu lassen. Besteht eine Allergie, sollten sich innerhalb der nächsten Minuten Hautreaktionen zeigen.

Bei Stoffen, deren Auswirkungen sich erst nach längerer Zeit zeigen, wird der Pflastertest bevorzugt. Dabei werden Pflaster mit möglichen Allergieauslösern für ein bis zwei Tage auf die Haut geklebt. Nach Ablauf der Zeit wird geprüft, ob sich Reaktionen zeigen, die auf eine Arzneimittelallergie schließen lassen. Unterstützend können auch Blutuntersuchungen vorgenommen werden. Eine weitere Option zur Diagnose bietet der Provokationstest, bei dem unter ärztlicher Aufsicht eine kleine Menge des vermutlich allergieauslösenden Wirkstoffs eingenommen wird. Welche Art von Allergietest sinnvoll ist, können nur die behandelnden Fachärzte entscheiden.

Eine junge Ärztin präsentiert an ihrem Schreibtisch ein Gläschen mit Pillen

Wie werden Medikamentenallergien behandelt?

Medikamentenallergien lassen sich nicht durch eine Hyposensibilisierung abschwächen. Die einzige Möglichkeit, Beschwerden zu vermeiden, besteht in der totalen Vermeidung des Auslösers. Das betreffende Medikament kann also nicht weiter eingenommen werden. Glücklicherweise stehen bei den meisten Arzneien Alternativen mit anderen Wirkstoffen bei vergleichbarer Wirksamkeit zur Verfügung. Falls ein dringend benötigtes Präparat nicht gleichwertig ersetzt werden kann – zum Beispiel in der Krebstherapie – kann erwogen werden, es trotz Allergie weiter zu verwenden. Die Auswirkungen der Arzneimittelallergie müssen dann gegen den Nutzen des Medikaments abgewogen werden.

Akute Symptome lassen sich mit Antihistaminika oder Kortison behandeln. Im Falle eines anaphylaktischen Schocks kommt auch Adrenalin zum Einsatz. Für Allergiker mit lebensbedrohlichen Arzneimittelallergien gibt es spezielle Notfallsets. Diese Sets enthalten Notfallmedikamente wie Epinephrin, welches sich mithilfe eines stiftartigen Applikators selbst injizieren lässt.

Falls Sie den Verdacht haben, gegen ein Medikament allergisch zu sein, sollten Sie unbedingt ärztliche Hilfe suchen. Bei einer Medikamentenallergie kann es eine Weile dauern, bis eine klare Diagnose steht. Suchen Sie also lieber früher als später eine allergologische Praxis oder Klinik auf.

Autor: Matthias Protzel
Matthias Protzel
Viele unserer Blogbeiträge stammen aus der Feder des selbstständigen Hamburger Autoren Matthias Protzel, der einst seinen Zivildienst beim Rettungsdienst des Roten Kreuzes absolvierte und sich seitdem ein aktives Interesse an medizinischen Themen bewahrt hat. Heute bietet er als Freelancer „Northern Blue" professionelle Texte aller Art an und schreibt im Auftrag von Medicalcorner24 über verschiedenste Gesundheitsthemen.